Cover
Titel
Geschichtsschreibung und Geschichtsdenken im 19. und 20. Jahrhundert.


Autor(en)
Metzger, Franziska
Reihe
UTB M 3555
Erschienen
Bern 2011: Haupt Verlag
Anzahl Seiten
313 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Edith Maienfisch, Historisches Seminar, Universität Zürich

Im vorliegenden Studienbuch wird die Geschichte von Geschichtsschreibung und Geschichtsdenken im 19. und 20. Jahrhundert aus einer kulturgeschichtlich-konstruktivistischen Perspektive beleuchtet. Dadurch soll der «Gegensatz von Wahrheit vs. Unwahrheit, Realität vs. Fiktionalität mittels einer Blickverschiebung auf die kommunikative Konstruktion von Geschichte » überwunden werden (63). Die durch zahlreiche einschlägige Publikationen zum Thema als profunde Kennerin der Materie ausgewiesene Autorin Franziska Metzger hat hierzu neben Anregungen von Lehrpersonen, Historikerinnen und Historikern, Literatur- und Sozialwissenschaftlern insbesondere auch kritische Fragen und Diskussionen von Studierenden in ihren Historiographiekursen an der Universität Freiburg/Schweiz aufgenommen und weiterverarbeitet.

In einer knappen Einleitung stellt Metzger die Ziele und den Aufbau des Studienbuchs vor. In Anbetracht dessen, dass auch Historiographiegeschichte immer in theoretisch- geschichtsphilosophischen und soziokulturellen Diskursen ihrer eigenen Zeit verortet ist, werden zwei miteinander verknüpfte Aspekte durchleuchtet. Einerseits werden «Kategorien und Modelle für die Analyse und Interpretation vergangener Geschichtsschreibung» diskutiert (9). Andererseits erfolgt eine Analyse von Geschichtsdenken und Geschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit.

Entsprechend hat Metzger das Studienbuch in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil bespricht sie detailliert verschiedene Modelle der neueren Historiographiegeschichtsschreibung und damit verbunden aktuelle Debatten zum Verhältnis von «Geschichte und Gedächtnis» sowie «Geschichte und Literatur». Im Anschluss daran stellt sie ein komplexes Analyseraster vor, das sich auf diskurs-, semantik- und kommunikationstheoretische Grundlagen stützt.

Darauf aufbauend wendet sich Metzger im zweiten Teil der Analyse der Geschichtsschreibung und des Geschichtsdenkens im 19. und 20. Jahrhundert zu. Anhand vielgestaltiger konkreter Quellenbezüge, die dem besseren Verständnis von Interpretationen und Einordnungen dienen, werden sechs Themenfelder in den Blickpunkt genommen: «selbstreflexive Grundlagen um 1800», «Institutionalisierung», «Nation und Geschichte», «Unsicherheiten um 1900», «zwischen Volk und Gesellschaft », «kulturgeschichtliche Wende; Transnationalisierung» (11). Dabei erweist sich z. B. in der Schweiz und in Deutschland Religion bzw. Konfession bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts als wichtigster Faktor bezüglich der Konstruktion «differierender, in Konkurrenz zueinander stehender historischer Narrative der Nation» sowie «konkurrierender Erinnerungsgemeinschaften » (159–160).

Die Analyse konzentriert sich zwar hauptsächlich auf den deutschsprachigen Raum, es werden aber immer wieder auch transnationale Aspekte aufzeigt. Hinsichtlich zeitlicher Perspektive verfolgt die Analyse zwei Zugänge. Einerseits sollen mittels Langzeitperspektiven Kontinuitäten und sich langsam entwickelnde Transformationen in den Blick genommen werden. Andererseits soll durch Tiefenschnitte der Fokus auf Sattelzeiten als Zeiten beschleunigten und krisenhaften gesellschaftlichen und kulturellen Wandels gerichtet werden.

Das Studienbuch ist klar strukturiert und mit vielen Illustrationen und Tabellen versehen. Marginalien auf jeder Seite sowie ein Glossar, ein Sach- und ein Personenregister am Ende des Buches erleichtern das Verständnis und die Orientierung. Als sehr hilfreich erweisen sich ebenfalls die Literaturlisten zu den Einzelthemen am Ende jeden Kapitels. Hier finden sich jeweils auch weiterführende Fragen, die dem Leser Gelegenheit bieten, das Gelesene zu reflektieren und die ausserdem zu weiteren Diskussionen sowie eigenen Forschungsarbeiten anregen sollen. Trotz dieser vielfältigen Hilfestellungen und der stringenten, detailreichen Darstellung verlangt das Buch angesichts der anspruchsvollen, hochkomplexen Materie volle Konzentration beim Lesen und stellt nicht nur für Studierende eine Herausforderung dar. Dessen ungeachtet hat Metzger eine fundierte Einführung in die Geschichte der Historiographie und des historischen Denkens des 19. und 20. Jahrhunderts geschaffen, die das Interesse an der weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik fördert.

Zitierweise:
Edith Maienfisch: Rezension zu: Franziska Metzger, Geschichtsschreibung und Geschichtsdenken im 19. und 20. Jahrhundert, Bern, Haupt, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 451-452.

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